Donnerstag, 10. September 2009

Die Friseurausbildung bekommt neue Impulse


Der Zeitdruck in kleinen Friseurunternehmen steht einer Qualitätsverbesserung der Friseurausbildung kontraproduktiv gegenüber. Der Chef eines kleinen Friseurunternehmens hat gar keine Zeit für eine umfassende Ausbildung. Zum Schaden der Branche wird als Folge davon in Kauf genommen, dass viele Auszubildende unvollständig oder schlecht ausgebildet werden und langfristig als Branchennachwuchs ausfallen.

Klar definierte Qualifikationskriterien, eine konzentrierte fachliche und persönlichkeitsbildende Vorschulung vor dem Eintritt ins Ausbildungsunternehmen, höhere Ausbildungsbeihilfen und ein schnellerer Einsatz an eigenen Kunden gehören ins Pflichtenheft. Auszubildende sollen teuer sein, so teuer, dass gar nichts anderes übrig bleibt, als sie so schnell als möglich zu Umsatzbringern zu machen. Das ist gut für das Unternehmen und die Motivation des Auszubildenden (sie sind schließlich wegen des Haareschneidens in den Beruf gegangen) und es macht den Friseurberuf für Jugendliche mit höherer Schulbildung interessanter. Wenn Kleinunternehmer ausbilden wollen, aber nicht alle Punkte des Ausbildungsrahmenplans in vollem Umfang abdecken können, ist ein privat organisiertes Ausbildungsnetzwerk ein gangbarer Weg.

Am Mittwoch, 8. Juli 2009 (das Datum habe ich mir extra notiert), sprach mich ein Kunde wegen unserer fünf neuen Auszubildenden an. „Sie bilden aber viel zukünftige Konkurrenz aus!“ Was soll man dazu sagen? In manchen Fällen kann es wirklich dazu kommen, dass Mitarbeiter Wettbewerber werden. Aber was erwarte ich? Ewige Dankbarkeit? Ich bitte Sie! Das ist der Lauf der Dinge, das darf mich nicht persönlich treffen. Dabei kann es wirklich lästig sein, direkte Konkurrenz von ehemaligen Mitarbeiter zu bekommen. Aber wenn Sie ein konzeptionell gut aufgestelltes Unternehmen ihr Eigen nennen, bereitet ihnen auch dieser Wettbewerb keine nachhaltigen Probleme.

Der Markt ändert sich schnell in diesen Tagen. Wenn ein Unternehmen keine erkennbare Konzeption bietet, verschwindet es vom Markt. Wer sich konditioniert und stark macht hält durch, die anderen laufen langsamer oder geben auf. Gut ausgebildete junge Kreative haben deutlich mehr Luft als der Durchschnitt. Sie bleiben wach, haben frische Idee, betrachten ihr Tun selbstkritisch und bringen dadurch konstant Leistung. So sichern sie ihren Erfolg.

Die neuen Chefs
Den Wandel in der Ausbildung bringen diejenigen, die eine umfassende Ausbildung genossen haben. Viele jungen Chefs erinnern sich an das gute Gefühl, als ihnen ihre Ausbilder die ersten Erfolgserlebnisse beschert hatten. Sie wissen, wie wichtig es ist, einen Chef gehabt zu haben, der ihnen etwas zugetraut hat. Sie bringen ihren eigenen Auszubildenden das Vertrauen entgegen, das sie selbst erfahren haben. Diese Chance haben wir jedes Jahr mit unseren neuen Auszubildenden, und diese Chance sollten wir nutzen.

Auswahl der Azubis
Stellen Sie sich ganz objektiv die Frage, ob sie wirklich ausbilden möchten. Werden sie sich bewusst, dass sie gegenüber den Jugendlichen eine große Verantwortung haben. Sicher gibt es renitente K-brocken unter den Jugendlichen, aber es hat sie ja keiner gezwungen sie einzustellen. Das Problem liegt in der Akquise, der Auswahl und der Vorabbildung der Auszubildenden. Wir brauchen Jugendliche mit sozialer Kompetenz: Freundlichkeit, Höflichkeit, Interesse an anderen Menschen - wir brauchen selbstbewusste und Karriere orientierte junge Menschen in unserem Beruf. Die Hauptschule, traditionell der Pool unseres Nachwuchses, trocknet immer mehr aus. Realschule und Gymnasium übernehmen die Hauptrollen. Für diese Zielgruppe müssen neue Anreize her. Was unser Beruf heute zu bieten hat reicht nicht aus. Die Jugendlichen sehen eher die körperliche Mühsal und die geringen Verdienstmöglichkeiten, als die versprochene Selbstverwirklichung in einem kreativen Beruf. Diese Selbstverwirklichung müssen Ausbilder auch zulassen, sonst bleibt sie eine sinnlose Worthülse.

Der Netzwerk-Gedanke
Wir brauchen den Dialog: mit den Jugendlichen, den Eltern, den Kammern, den Verbänden, den Innungen und mit den Schulen. Ich begleite beispielsweise Hauptschüler der Klassen 8 und 9 als Mentor auf ihrem Weg zur Ausbildung oder auf eine weiterführende Schule, gebe Unterstützung in Verhalten und Etikette und berate sie bei der Erstellung ihrer Bewerbungen. Mit Gutmenschentum habe ich wenig am Hut. Es ist praktische Lebenshilfe, die keine blumigen Sprüche oder wolkige Zukunftsversprechen zulässt, dafür aber klare Zielvorgaben als Basis der Zusammenarbeit fordert.
Friseurunternehmer sollten die Ressource Schule nutzen. Die Jugendlichen verfügen zum Teil über erstaunliche Fähigkeiten, die über eine entsprechende Vorabbildung – siehe Auswahl der Azubis - hervorragend nutzbar ist. Dazu können sich Unternehmer zu Netzwerken zusammen schließen, um ihrem Vorhaben, der nachhaltigen und zukunftsorientierten Ausbildung im Friseurberuf entsprechenden Nachdruck zu verschaffen. Flächendeckende Qualifizierung ist dann möglich, wenn viele Unternehmer an die Tragfähigkeit des Netzwerk-Konzepts glauben. Das duale System muss durch solche Eigeninitiative gestärkt werden, sonst ändert sich in der Friseurausbildung nichts Wesentliches. Die Evolution der Ausbildungsinhalte hat nur dann einen Wert, wenn die Qualifikationen auch vermittelt werden.

Triale Ausbildung
Seit 13 Jahren bilden wir bei Gress Friseure trial aus. Trial bedeutet, die Jugendlichen durchlaufen eine sechsmonatige Qualifizierung bei einer privaten Friseurschule vor dem Einstieg in das Unternehmen. Nach dem Basisseminar sind die Azubis sofort in der Lage, hochwertige Dienstleistungen an anspruchsvollen Kunden zu erbringen. Am Ende des ersten Ausbildungsjahrs qualifizieren sie sich durch interne Leistungsprüfungen zum Junior-Stylisten, danach haben sie jedes halbe Jahr die Möglichkeit, sich durch entsprechende Leistungen als Stylist zu empfehlen. Unterstützt werden sie durch unser externes Coaching-Programm, das die Motivation zur ständigen Weiterentwicklung aufrecht hält. Ziel ist immer der Aufbau eines eigenen Kundenstamms.

Das BANG-Netzwerk – ein Beispiel
Das BANG-Ausbildungs-Netzwerk aus dem ostwestfälischen Metallgewerbe ist ein sehr erfolgreiches Beispiel, wie der triale Gedanke als Ergänzung zum dualen System erfolgreich eingesetzt werden kann. Bei BANG sind 103 ausbildende Unternehmen in sieben Vereinen zusammen geschlossen, die ein gemeinsames Ausbildungszentrum tragen. Dort werden die Jugendlichen für den sofortigen Einsatz im Unternehmen fit gemacht. Und nicht nur das: Das Netzwerk sorgt auch für die kontinuierliche Weiterbildung und Spezialisierung der Jugendlichen. Im Grunde genommen ist hier institutionalisiert, was wir in unserem Unternehmen in den vergangenen Jahren aus dem Bauch heraus aufgebaut haben.

FAN - Friseur-Ausbildungs-Netzwerk
Meine Idee zur Umsetzung des Netzwerkgedankens für den Friseurberuf heißt FAN. Die Unternehmen, die Mitarbeiter gut aus- und ständig weiterbilden, sind erfolgreich. Also macht ein Ausbildungs-Netzwerk von regional tätigen Friseurunternehmen schon deshalb Sinn, weil die Auszubildenden in den kommenden Jahren zur raren „Ware“ werden. Dass dabei die Leistung spürbar erhöht wird, ist ein automatischer Nebeneffekt.

Kontakt: peter.gress@gress.de

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Peter Gress


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